Philosophie

Aufgabe der Philosophie ist es nach Hegel, die Epoche, in der sie sich bewegt, auf den Punkt zu bringen...

 

Scheidewege - Jahresschrift für skeptisches Denken

Überkommenes wird in unserem Denken im gleichen Maße fragwürdig wie Fortschrittsgläubigkeit: Das Gestern ist nicht zu wiederholen, aber das Morgen kann auch nicht einfach eine verbesserte Form des Heute sein. In die Tradition zu retirieren ist so aussichtslos wie die Hoffnung, daß dem Fortschritt, so wie er derzeit betrieben wird, ein zweckmäßiger Mechanismus der Selbstregulation innewohne, der endlich alles zum Guten wenden werde.

In dieser Situation gibt es niemanden, der für sich in Anspruch nehmen dürfte, Gebrauchsanweisungen geben zu können; die gleichwohl im Umlauf befindlichen, die das Heil in der Programmierung und Planung suchen, müssen skeptisch geprüft und ihre Fehler müssen benannt werden. Skeptisches Denken ist auf jene gerichtet, die glauben, den Code des Lebens und des Zusammenlebens entschlüsselt zu haben und daraus schnellfertig die Verfahren ihres Handelns ableiten zu können. Skeptisches Denken erbringt Einwände und Einsichten, die nicht immer Weg und Ziel, aber doch eine Richtung anzeigen.

Die Prüfung kann überall ansetzen: Dort, wo das Denken als Philosophie betrieben wird, und dort, wo es, formuliert oder nicht, einem Handeln zugrunde liegt - in der Naturwissenschaft und der Technik, in der Anthropologie und in der Pädagogik, in Politik und Soziologie -, kein Bereich, in dem nicht ältere oder brandneue Gebrauchsanweisungen gültig wären, die der Prüfung bedürfen.

Diese Aufgabe haben sich die „Scheidewege“ gestellt. Die Vielfalt der möglichen Themen, in denen kein Bereich des menschlichen Lebens ausgespart sein kann, hat ebensolche Vielfalt der Form zufolge: sie reicht vom Essay bis zur Polemik, von der Beschreibung bis zur Mahnung, von der Rezension bis zum Bekenntnis - das heißt: von der Meditation bis zum Kampf.

 

Kommunitarismus

Das kommunitaristische Denken kann als Versuch definiert werden, die in unseren westlichen Gesellschaften vorherrschenden philosophischen und politischen Konzeptionen einer gründlichen Selbstreflexion und Kritik von innen zu unterziehen. Es geht dabei vor allem um folgendes: Eine Gesellschaft, die sich konsequent auf atomisierte, voneinander isolierte und ihrem Eigeninteresse folgende Individuen stützen will, untergräbt dadurch ihre eigenen Grundlagen. Das liberale Menschenbild hatte anfangs eine befreiende Wirkung gegenüber althergebrachten Ordnungen, die liberale Gesellschaft war aber für ihr Funktionieren immer auch auf Bürgerengagement und Bürgertugenden angewiesen. Dem liegt die Einsicht zugrunde, dass die radikale Durchsetzung des sozial entpflichteten Individualismus zum Tode der freiheitlichen Demokratie führen wird. Eine Theorie, die dies methodisch vernachlässigt oder ausschließt, trägt zur Erosion des sozialen Lebens bei. Eine Reflexion darüber, dass soziale Charaktere nur in gesellschaftlichen Zusammenhängen sich ausbilden, könnte eine heilsame Ergänzung des herrschenden Selbstbildes moderner Gesellschaften bilden.

Für eine Einführung in den Kommunitarismus siehe: Walter Reese-Schäfer, Was ist Kommunitarismus?, Campus Verlag, 1994; Axel Honneth (Hg.), Kommunitarismus - Eine Debatte über die moralischen Grundlagen moderner Gesellschaften, Campus Verlag, 1992; Christel Zahlmann (Hg.), Kommunitarismus in der Diskussion - Eine streitbare Einführung, Rotbuch Verlag, 1992.

Wichtige Vertreter kommunitaristischer Ansätze sind u.a. Amitai Etzioni, Benjamin Barber, Michael Sandel, Charles Taylor, Alasdair MacIntyre, Robert Bellah und Michael Walzer.

Bericht über ein Kommunitarismus-Symposium der Friedrich-Ebert-Stiftung: pdf-download

 

Michael Walzer

Gilt als der kreativste und originellste Vertreter kommunitaristischer Ansätze, gleichwohl er sich selbst nicht als Kommunitarist bezeichnet. Lehrt politische Theorie an der Harvard University/USA. Leiter der School of Social Science - Institute for Advanced Studies, Princeton. >>> Curriculum vitae <<< Herausgeber der undogmatischen linksliberalen Zeitschrift "Dissent". Fällt im Konzert der Stimmen durch seinen "nicht selten provokativ metaphorischen Stil" sowie die "bewußte Provokation gewohnter linker Perspektiven" auf. Hauptwerk: Sphären der Gerechtigkeit (1992, Original: Spheres of Justice, 1983). Im Rahmen meiner Dissertation habe ich mich um eine Anwendung der Walzer'schen Theorie einer Sphärengerechtigkeit auf den Bereich der Gesundheitssicherung bemüht.

Auszug aus meiner Dissertation (9 Seiten): pdf-Download

Aktueller Beitrag: Michael Walzer - Noch ist es nicht zu spät - Inspektoren ja, Krieg nein. Warum ein Angriff auf den Irak derzeit nicht zu rechtfertigen ist, in: Die ZEIT, 10. Oktober 2002, S. 39.

 

Wilhelm Schmid - Philosophie der Lebenskunst

Das Zeichen des modernen Lebens ist die fehlende Lebenskunst, denn dazu hat es der Moderne zu sehr an Muße gefehlt. Statt diesen Zustand tränenreich zu beweinen, geht es dem Berliner Philosophen Wilhelm Schmid (geb. 1953)  um die Arbeit an einer neuen Lebenskunst – für die Kultur einer anderen Moderne. Die Philosophie kann dazu einen Beitrag leisten, wenn sie ihren traditionellen Bezug zur Kunst, das Leben zu meistern, wiederentdeckt. Die Exkursion in die Philosophie erfolgt genau in dem Moment, in dem die Existenz in Frage steht. Das Denken entfaltet sich angesichts des Abgrunds an Verzweiflung, der sich auftut. Mögen die Gründe dafür individuelle oder gesellschaftliche sein: Selbst in der besten aller Welten, sollte es sie jemals geben, wird sich das Leben wohl nicht von selbst verstehen. Das Leben leben zu können, bleibt immer den Individuen selbst überlassen. Die Frage "Was soll ich tun?" hat hier keinen moralischen, sondern einen existenziellen Sinn und zielt auf eine Kunst der Existenz. Mit der Frage wird bereits der erste Schritt zur Aneignung des Lebens gemacht, um aus dem abstrakt erscheinenden Leben ein eigenes Leben werden zu lassen. Wilhelm Schmid weiß Tiefsinniges über den Umgang mit Gewohnheiten, Lüsten, Schmerzen, Zeit und Tod, über Künste der Ironie, des "Negativdenkens", der Gelassenheit, über eine ökologische Lebenskunst und eine "Lebenskunst im Cyberspace" zu erzählen. Unter dem Aspekt einer Ästhetik der Existenz erscheint die alte Formel "Sich ein schönes Leben machen" wieder neu, wie dies Lebenskünstlern gerne nachgesagt wird, hier aber eine etwas ungewöhnliche Bedeutung gewinnt.

Lit.: Schönes Leben? Einführung in die Lebenskunst; Philosophie der Lebenskunst; Auf der Suche nach einer neuen Lebenskunst (alle Suhrkamp Verlag erschienen)

Die Wiederkehr der Heiterkeit - Zur Rehabilitierung eines philosophischen Begriffs

Glück ist Balance - Wilhelm Schmid im Interview über das Glück und den Mut, sich mit Abgründen auseinander zu setzen